U-VERLAGERUNGEN IN REICHSBAHNTUNNELS


Gegen Kriegsende wurden mit Hilfe der Organisation Todt für einzelne besonders wichtige Rüstungsbetriebe große Anstrengungen unternommen, die Produktion in unterirdische Produktionsstätten zu verlagern, was für Zwangarbeiter oftmals eine weitere Härte bedeutete. Auch dafür lassen sich verschiedene Beispiele in Wuppertal finden.
1944 wurde damit begonnen,für wichtige Rüstungsbetriebe UNTERIRDISCHE PRODUKTIONSSTÄTTEN zu schaffen. Diese Anlagen wurden mit einem Decknamen versehen. (Decknamenverzeichnis WICHERT).
Diese Decknamen hat man in unterschiedliche Kategorien gepackt, die Namensgebung war abhängig von der Art der Anlage.
* Schachtanlagen (TIERNAMEN)
* Stollenanlagen (FISCHNAMEN)
* Eisenbahn- und Straßentunnel (VOGELNAMEN)
* Festungswerke (PFLANZENNAMEN)
* natürliche Höhlen (MÜNZNAMEN)
* Neubauten von Stollen und Tunnelanlagen (MINERALIEN)

So richtete die OT den Linderhauser Tunnel ( 935m) zwischen Schwelm und Gevelsberg für die Fa. Espenlaub her, Deckname MEISE. Ein Gleisstrang wurde zubetoniert, den anderen nutzte man für den An- und Abtransport von Flugzeugen, Material und Arbeitskräften.Ein weiterer Tunnel war wohl auch für Espenlaub vorgesehen, wurde aber entweder nicht fertiggestellt oder anderweitig benutzt, der Präsident-Hoeft-Tunnel in Schwelm, Deckname FALKE.
Ebenfalls für Espenlaub wurde an einem unbekannten Standort die Anlage BLUTSTEIN (Ehrenberg) errichtet.

Kommen wir nun zur Produktionsstätte SCHEE-TUNNEL Deckname KAUZ ( 721 m ), die für die Vohwinkeler Herdfabrik Homann auf der Strecke von Wichlinghausen nach Sprockhövel hergerichtet wurde. Dafür wurde 1944 die östliche Tunnelröhre des Doppeltunnels stillgelegt. Die Fa. Homann richtete hier ein Ausweichwerk für die Produktion von Rumpfspitzen des Messerschmitt Düsenjägers ME 262 ein. Die Baracken für die Russischen Zwangsarbeiter befanden sich weiter nördlich vom Tunnel entfernt. Ebenso die Baracken der OT.Auch andere Firmen sollten unterirdisch verlagert werden. Dafür wurden natürliche Höhlungen oder ehemalige Stollen genutzt.Es wurden unter besonderen Umständen auch Neubauten errichtet.Für die Elberfelder Firma Metzenauer & Jung wurden in Beyenburg I und II (Brauereikeller Beyenburg) unter dem Decknamen SARDELLE errichtet.Ob die Firma dort je produziert hat, ist unklar bzw. ob die Anlage fertig gestellt wurde. Hergestellt werden sollten R-Geräte für die Anlagen FREYA, WASSERMANN M und JAGDSCHLOSS und das Gerät EIBSEE.
Bei der Firma Wicküler , wo auch die Ostarbeiter der Brauerei lebten, wurde TRUSCHE errichtet und fertig gestellt. Fotos einer Anlage von innen weiter unten.
Wer diese Anlage nutzen wollte ist auch unklar. In Vohwinkel wurde BERNSTEIN gebaut. Standort und Nutzung auch nicht bekannt.
In der näheren Umgebung Wuppertals befanden sich die Anlagen KYROLIT (Haßlinghausen), SCHWERSPAT (Gevelsberg), EICHELHÄHER (Asbeck, Gevelsberg) und GIPS (Heiligenhaus)
Auf der Bahnstrecke von Schwelm nach Gevelsberg wurden noch andere Bauten zur Aufnahme bombensicherer Produktionsanlagen fertiggestellt bzw.begonnen: BUCHFINK ( Silscheder Tunnel )für die Firma Hansen & Co in Münster, ebenfalls für Hansen & Co war der Klosterholzer Tunnel bei Gevelsberg bestimmt unter dem Decknamen GOLDAMMER. Hansen war wie Espenlaub Flugzeugreparaturwerk.
All diese Anlagen wurden mit Hilfe von Zwangsarbeitern errichtet, all diese Anlagen waren für den Einsatz von Zwangsarbeitern bestimmt. Bei Espenlaub sollten 1000 Personen in MEISE arbeiten, im KAUZ von Homann 400 Ostarbeiter.
Wie man sieht, hat Wuppertal eine sehr dunkle Geschichte. Leider sind alle Angaben spärlich. Recherchen sind meist immer erfolglos. Zeitzeugenarbeit und das Militärarchiv Freiburg oder das Imperial War Museum London verfügen über noch vorhandene Dokumente, die diese Grausamkeit belegen.

Deckname Meise



Die Untertage-Verlagerung mit dem Decknamen "Meise" (oder auch "Meise 1") befand sich in einem Reichsbahntunnel bei Schwelm im Bergischen Land. Genauer gesagt waren, beziehungsweise sind es zwei Tunnel, die parallel durch den Linderhausener Berg von Süden nach Norden (und umgekehrt natürlich auch) verlaufen. Die beiden Eisenbahntunnel stehen im standfesten Gebirge, welches sich überwiegend aus Grauwacken und Kalksteinschichten zusammensetzt. Die Überdeckung im mittleren Tunnelbereich ist mit über 60 Metern mehr als ausreichend für eine bombensichere Produktionsstätte. Besonders deutlich wird die Kalksteinschicht am Südportal des Westlichen Tunnels. Dort befindet sich in der ersten Ausweichbucht (AB) das Mundloch der Schwelmer Tunnelhöhle, einer kleinen Wasserführenden Naturhöhle (Ponorhöhle), welche zufällig beim Tunnelbau angeschnitten worden ist. In dem Östlichen Tunnel befindet sich ebenfalls eine kleine Höhle, die auf den Namen "Lehmhöhle" hört. Siehe unten rechts das kleine Loch.


Der östliche Tunnel (Linderhausener Tunnel) hat eine Länge von 935 Metern und beherbergte das Herzstück, die eigentliche Produktionsstätte der Anlage Meise. Der westliche Tunnel (Schwelmer Tunnel) ist etwas kürzer (742 Meter) und diente der U-Verlagerung als Bahnhof für die Arbeiter und als Bombensichere Verladestation für das Material und die Flugzeuge. Der Umbau des Reichsbahntunnels zur unterirdischen Rüstungsfabrik begann im Sommer 1944. Das Projekt "Meise 1" gehörte zum Jägerstab und war ein sogenanntes A-Projekt. Der Jägerstab war für die bombensichere Unterbringung von Flugzeugfabriken zuständig und ein "A-Projekt" war die Untertage-Verlagerung in ein schon bestehenden unterirdischen Hohlraum, wie zum Beispiel Bergbaustollen, Bunker und eben Reichsbahntunnel. Oberaufsicht und Leitung des Projektes "Meise 1" hatte wie bei fast allen Untertage-Verlagerungen die Organisation Todt (OT), welche die Planung übernahm und die Zwangsarbeiter beschaffte, die die Umbauarbeiten durchführen mussten. Die Gleise und das Schotterbett wurden entfernt, der Boden wurden betoniert damit die Maschinen einen sicheren und festen Stand hatten. Unter der Firste wurde über die gesamte Länge des Tunnels ein Schwerlastkran installiert, an dem die Flugzeuge und Teile wie am Fließband zu den einzelnen Stationen im Tunnel gebracht werden konnten. Ausserdem wurden die an der Tunnelwand liegenden Wasserrinnen verrohrt und an beiden Enden des Reichsbahntunnels ein Gebläse zur Bewetterung der U-Fabrik errichtet.



Die Firma Gottlob Espenlaub aus Wuppertal-Langerfeld bezog noch während der Umbauarbeiten den Tunnel und begann am 23.10.1944 mit dem Betrieb in diesem, neuen bombensicheren Ausweichwerk. Die Tunnelportale wurden übrigens nicht wie üblich zugemauert. Die interne Bezeichnung für die U-Verlagerung Meise in der Flugzeugbaufirma Espenlaub war "Werk 4" oder "Ausweichwerk 1". Die Firma Espenlaub Flugzeugbau war neben den Firmen Homann, Vorwerk, Jäger und I.G.Farben eine der grössten Rüstungbetriebe in Wuppertal mit drei oberirdischen Werken und ebenfalls drei unterirdischen Produktionstätten:

Werk1 - Spitzenstrasse
Werk 2 - am Langerfelder Güterbahnhof mit eigenem Flugplatz
Werk 3 - Schwelmer Strasse
Werk 4 - U-Verlagerung Meise in Schwelm (dieser Bericht)
Werk 5 - U-Verlagerung Falke (Reichsbahntunnel Präsident Höft)
Werk 6 - U-Verlagerung Blutstein ( Stollenneubau im Ehrenberg)



Etwa 1000 Arbeiter arbeiteten im Schnitt im Ausweichwerk 1. Gegen Ende des Krieges stieg die Zahl sogar auf 2000 Arbeiter, welche in gleichen Teilen aus Mitarbeiter der Firma Espenlaub und Zwangsarbeitern bestand. Rund 100 Flugzeuge, hauptsächlich vom Typ Focke-Wulf (Fw190) wurden pro Monat in "Meise 1" repariert oder ausgebessert. Die Arbeiter wurden jeden Morgen mit dem Zug von den Baracken in Wuppertal-Langerfeld zur Untertage-Verlagerung gebracht. Auch die Mittagspause wurde geschützt vor Bomben im Tunnel abgehalten. Der Betrieb hielt noch bis zum Ende des Krieges an, bevor die Amerikaner die Stadt Schwelm erreichten und dem Treiben ein Ende setzten.


Heute erinnert nur noch wenig an das einstige Treiben in den Tunneln. Beide Tunnel wurden nach dem Krieg wieder für den Eisenbahnverkehr hergerichtet und genutzt, wobei der Schwelmer Tunnel heutzutage wieder stillgelegt ist. Im Tunnel selber findet man heute immer noch Verschnittmaterial der Tragflächen und andere Kleinigkeiten wie Werkzeug und Späne. Der Schwelmer Tunnel mit seinen schönen verzierten Portalen kann also ohne Gefahren erkundet werden und die Schwelmer Tunnelhöhle ist eine echte Herausforderung für wagemutige und erfahrene Speläologen. (gut schluf...)
Durch den Linderhausener Tunnel fährt heute noch die S8 nach Hagen, was die Befahrung zur einer gefährlichen Angelegenheit macht. Ausserdem ist es Verboten!!!!!!!!!

(Text Eismann für Dany/Wuppertal-Untertage (WUT), 2008 unter Mithilfe von Schwelmer-Bernstein...)